Von Bots und Bewerbern: Wie KI das Recruiting unterstützt

Ob auf LinkedIn, in den Medien oder im privaten Umfeld – Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit in aller Munde. Und das durchaus zu Recht, denn KI bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Besonders im Recruiting steigen die Anforderungen angesichts des Fachkräftemangels stetig. Prozesse werden zunehmend komplexer und zeitaufwendiger – hier ist technische Unterstützung oft willkommen.

Doch vorab, was ist eigentlich künstliche Intelligenz? Künstliche Intelligenz (englisch: Artificial Intelligence, AI) beschreibt Computerprogramme und -systeme, die menschliches Denken und Handeln simulieren. Mithilfe von Algorithmen können grosse Datenmengen in kürzester Zeit analysiert, Muster erkannt und Prognosen abgeleitet werden, die als Grundlage für intelligente Entscheidungen dienen. KI lernt dabei meist fortlaufend weiter und verbessert so die Entscheidungsfindung kontinuierlich (Maschinelles Lernen).

 

Intelligente Helfer: So unterstützt KI im Recruiting

Im Recruiting werden vor allem langwierige, repetitive und zeitintensive Aufgaben durch KI automatisiert, optimiert oder unterstützt. Für einen umfassenden Überblick erläutern wir verschiedene Einsatzmöglichkeiten und stellen dazu jeweils ein passendes KI-Tool vor.

Viele der vorgestellten Tools bieten nicht nur einzelne Funktionen, sondern kombinieren diverse Vorteile miteinander oder bieten sogar All-in-One-Lösungen, die den gesamten Mitarbeiterlebenszyklus abdecken –von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Austritt aus dem Unternehmen.

 

Kampagnen und Content für Social Media

Beim Employer Branding und Recruiting setzen Unternehmen häufig auf Kampagnen und Content für Social Media. Ähnlich wie Stellenanzeigen lassen sich diese durch KI analysieren und hinsichtlich ihrer Optimierungspotenziale bewerten. So kann die KI beispielsweise den besten Veröffentlichungszeitpunkt, die Bildauswahl, textliche Anpassungen und sogar die ideale Budgetverteilung vorschlagen.

Wonderkind

Wonderkind ist eine KI-basierte Marketinglösung, die Recruiting-Kampagnen gezielt auf Social Media und anderen Online-Kanälen ausspielt. Neben klassischen Jobplattformen wie LinkedIn und Xing erreicht Wonderkind Talente auch auf Plattformen wie Google, Instagram und Facebook– eben genau dort, wo sich Talente aufhalten.

Das Tool analysiert vollautomatisch Demografie, Alter, Nutzverhalten und Interessen der Zielgruppe und ermittelt, wie eine Stellenanzeige optimal platziert werden kann. Auf diese Weise können sowohl aktiv suchende als auch passive, aber wechselbereite Kandidatinnen und Kandidaten angesprochen werden.

 

Optimierte Stellenanzeigen

Stellenanzeigen sind für viele Bewerbende der erste Kontaktpunkt mit einem potenziellen Arbeitgeber – ansprechende und überzeugende Stellenausschreibungen sind daher entscheidend. Mithilfe einer KI lassen sich Stellenanzeigen analysieren und optimieren, um möglichst viele Talente von der Stelle zu überzeugen.

Textio

Textio ist ein KI-Tool, das speziell entwickelt wurde, um Stellenanzeigen zu erstellen und bestehende Ausschreibungen zu optimieren. Die Software gibt in Echtzeit Feedback zu Formulierungen, Tonfall und sprachlichen Strukturen und erhöht so die Attraktivität der Anzeigen für eine breite und diverse Zielgruppe.

Besonders hilfreich ist Textios Fähigkeit, auf geschlechtsspezifische oder unbewusst voreingenommene Sprache hinzuweisen, die bestimmte Bewerbergruppen abschrecken könnte. Allerdings ist das Tool derzeit nur auf Englisch verfügbar.

 

Identifizieren geeigneter Talente

Auf bekannten Jobplattformen wie LinkedIn und Xing geben potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten bereitwillig Informationen zu ihrer beruflichen Erfahrung, ihren Qualifikationen und vielen weiteren relevanten Aspekten. Eine KI kann diese Daten nach vordefinierten Kriterien durchforsten und geeignete Talente identifizieren (Sourcing).

Smaile

Smaile ist ein Active-Sourcing-Service, der künstliche Intelligenz mit menschlicher Recruiting-Expertise verbindet. Anhand festgelegter Qualifikationsanforderungen durchsucht das Tool Millionen von Profilen auf LinkedIn, Xing und vielen weiteren Quellen, um die besten Talente zu finden.

Im Anschluss gleichen erfahrene Recruiterinnen und Recruiter weitere Faktoren wie Wechselbereitschaft, Gehaltsvorstellungen und Umzugsbereitschaft mit den Talenten ab. In einer Shortlist werden dem Unternehmen dann die Top-Talente zur Verfügung gestellt.

 

Vorselektion von Lebensläufen

Je mehr Bewerbungen eingehen, umso aufwendiger ist es, alle Lebensläufe zu sichten und zu bewerten. Eine KI kann die Daten nicht nur automatisch ins Bewerbermanagementsystem übertragen, sondern auch nach Kriterien wie Berufserfahrung, Abschluss oder speziellen Fähigkeiten filtern (CV-Parsing).

Zudem kann eine KI die im Lebenslauf enthaltenen Informationen analysieren und mit den Qualifikationsanforderungen abgleichen, um schnell die am besten geeigneten Talente zu identifizieren (Matching).

Textkernel

Textkernel ist ein Unternehmen, das KI-gestützte Lösungen für den Personal- und Recruiting-Sektor entwickelt, um verschiedene Prozesse effizienter zu gestalten.

Mithilfe von CV Parsing wandelt Textkernel unstrukturierte Daten (z. B. PDFs oder Word-Dokumente) in eine strukturierte Form um, die leicht durchsucht und weiterverarbeitet werden kann. Dabei automatisiert der Parser die Extrahierung, Anreicherung sowie Strukturierung von Daten aus Lebensläufen in 29 Sprachen.

Zudem bietet Textkernel eine Such- und Matching-Funktion, die es ermöglicht, passende Kandidatinnen und Kandidaten schnell und präzise im Talentpool zu finden. Dabei berücksichtigt der Algorithmus nicht nur Keywords, sondern auch semantische Zusammenhänge. Das ermöglicht eine genauere Übereinstimmung zwischen Bewerberprofilen und Stellenanforderungen.

 

Kommunikation mit Bewerbenden

Chatbots haben in den letzten Jahren auf vielen Unternehmens- und Karriereseiten einen Platz gefunden. Sie sind rund um die Uhr verfügbar und beantworten schnell Fragen von Bewerbenden oder geben Auskunft über offene Stellen, benötigte Qualifikationen und den Bewerbungsprozess. Besonders bei häufig wiederkehrenden Fragen sind Chatbots sehr hilfreich, da Personalverantwortliche viel Zeit für die Beantwortung einsparen.

Olivia von Paradox

Auch Paradox bietet eine breite Palette an Funktionen mit seinen Softwarelösungen. Eine davon heisst Olivia und ist ein Recruiting-Assistent sowie Chatbot, der Aufgaben übernimmt wie die Beantwortung von Bewerberfragen und das Planen von Vorstellungsgesprächen.

Zudem können sich Talente ganz einfach im Gespräch mit Olivia bewerben– so sparen Bewerbende viel Zeit und Mühe für das Erstellen herkömmlicher Bewerbungsunterlagen. Der Chatbot kann nahtlos in Karriereseiten, Jobplattformen und soziale Netzwerke integriert werden und steht für Bewerbende in Echtzeit und 24/7 bereit.

 

Analysen von Video-Interviews

Viele Bewerbungsgespräche finden heute online statt. KI kann diese Interviews analysieren, indem sie Gestik, Mimik, Sprachmuster und andere Verhaltensweisen des interviewten Talents auswertet. Dabei erkennt die KI subtile Signale, die dem menschlichen Auge möglicherweise entgehen– wie zum Beispiel winzige Veränderungen im Gesichtsausdruck oder Tonfall.

Durch solche präzisen Analysen können versteckte Emotionen, Stresslevel oder Sicherheitsgefühle der Bewerbenden aufgedeckt werden, was dem Unternehmen zusätzliche Einblicke in Persönlichkeit und Auftreten der Person bietet.

HireVue

HireVue ist eine innovative Plattform, die Video-Interviews mithilfe von KI analysiert. Dabei bewertet HireVue zwei Aspekte: zum einen die verbale Antwort, also Inhalt, Tonfall, Wortwahl, Sprechpausen, Aussprache usw. und zum anderen nonverbale Merkmale wie Körpersprache, Hand-, Augen- und Lippenbewegungen sowie Gesichtsausdrücke.

Durch maschinelles Lernen erkennt HireVue Muster und Tendenzen, die Personalverantwortlichen wertvolle Einblicke geben. Zudem hilft das Tool die Objektivität in der Bewerberbewertung zu erhöhen und gleichzeitig den Zeitaufwand erheblich zu reduzieren.

 

Assessment Center

Viele Unternehmen nutzen während des Bewerbungsverfahrens sogenannte Assessment Center, um die Eignung der Bewerbenden zu prüfen. Die KI kann dabei behilflich sein die Ergebnisse dieser Tests zu bewerten und mit dem vorab definierten Massstab abzugleichen.

Gamified Behavioral Assesment von Harver

Harver bietet ein spielbasiertes Assessment, das kognitive und emotionale Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Empathie, Durchsetzungsvermögen und Anpassungsfähigkeit sichtbar und messbar macht. Die Analyse des Spielverhaltens liefert dabei objektive Einblicke in die Eignung und Stärken der Bewerbenden.

Harver fördert eine faire und unvoreingenommene Rekrutierung, indem es den Fokus von traditionellen Lebensläufen und Interviewmethoden hin zu einer ganzheitlicheren Betrachtung der Fähigkeiten und Potenziale der Bewerbenden verlagert.

 

KI-Tools im Recruiting-Prozess

 

Potenziale entfalten, Risiken erkennen

Die Vorteile, die sich aus der Nutzung von KI ergeben, liegen auf der Hand:

  • Einsparungen von Zeit und Kosten
  • Entlastung der Recruiterinnen und Recruiter
  • Mehr Zeit für zwischenmenschliche Interaktion
  • Höhere Effektivität und Prozessqualität
  • Identifikation passender Talente
  • Objektive Entscheidungen frei von menschlichen Vorurteilen (bei korrekter Anwendung)
  • KI arbeitet rund um die Uhr

 

Doch auch KI hat ihre Grenzen. Bei all den Vorteilen darf man nicht vergessen, dass sie lediglich so gut ist, wie die Programmierung und Datenbasis, die Menschen bereitstellen. Eine fehlerhafte Programmierung oder unzureichende Datenqualität können zu Verzerrungen führen, die den Auswahlprozess beeinflussen.

Ein Beispiel: Wenn eine KI mit Bewerberdaten der letzten 20 Jahre gefüttert wird, um aus diesen Erfahrungen die besten Talente zu identifizieren, könnte sie ungewollte Vorurteile übernehmen. Vor 20 Jahren wurden Männer oft Frauen vorgezogen, selbst wenn die Frauen besser qualifiziert waren. Die KI würde solche veralteten Muster nicht hinterfragen, sondern einfach weiter reproduzieren.

Auch beim Screening und Sourcing mithilfe von KI, kommen immer wieder kritische Fragen auf:

  • Wie verhält es sich mit dem Datenschutz und der Datensicherheit?
  • Fallen kreative Bewerbungen, die nicht dem Standard entsprechen, durchs Raster?
  • Wird der Rekrutierungsprozess entmenschlicht?
  • Ersetzt KI den Mensch im Recruiting?

 

Um Bedenken gegenüber KI im Recruiting zu mindern, sind Transparenz und regelmässiges Monitoring entscheidend. Eine offene Kommunikation über den Einsatz der KI, schafft Vertrauen bei Bewerbenden sowie Mitarbeitenden. Zudem sollten klare Richtlinien aufgestellt werden, die ethische Grundsätze und Datenschutzbestimmungen berücksichtigen, damit die KI fair, objektiv und im Einklang mit den Unternehmenswerten agiert.

Eine kontinuierliche Überprüfung der Ergebnisse ist daher ebenfalls wichtig. Personalverantwortliche sollten die Auswahlprozesse der KI regelmässig evaluieren und prüfen, ob sie weiterhin den gewünschten Standards entsprechen, um zu vermeiden, dass veraltete oder unerwünschte Muster übernommen werden.

Abschliessend sollte klar sein, dass die Technologie den persönlichen Kontakt zwischen HR-Fachkräften und Bewerbenden nicht ersetzen kann. Vielmehr ist KI als hilfreiches Werkzeug zu verstehen, das Zeit und Ressourcen spart und die Qualität sowie Effektivität steigert. Der Mensch ist und bleibt dabei unverzichtbar – denn Empathie und zwischenmenschliche Interaktion sind durch KI nicht zu ersetzen.

 

In 5 Schritten zum passenden Recruiting-Tool

1. Bedarfsermittlung

  • Analyse der Prozesse: Untersuchen Sie die bestehenden Recruiting-Prozesse, um festzustellen, wo Automatisierung und KI-Tools einen Mehrwert bieten können.
  • Identifizierung der Herausforderungen: Ermitteln Sie spezifische Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert sind wie z. B. lange Time-to-Hire, zu wenig Bewerbungen, unzureichende Kommunikation.

 

2. Zieldefinition

  • Klare Ziele setzen: Definieren Sie, was Sie mit dem KI-Tool erreichen möchten, z. B. Effizienzsteigerung, Verbesserung der Candidate Experience oder Reduzierung von Vorurteilen im Recruiting.
  • Erfolgskriterien festlegen: Bestimmen Sie messbare KPIs, um den Erfolg der Implementierung später bewerten zu können, z. B. Cost-per-Hire, Bewerberzufriedenheit, Anzahl qualitativer Bewerbungen.

 

3. Recherche

  • Tool-Analyse: Recherchieren Sie verschiedene Tools und deren Funktionen. Berücksichtigen Sie Faktoren wie Benutzerfreundlichkeit, Datenschutzkonformität, Integrationsfähigkeit, Kundensupport, Preis und Kundenbewertungen.
  • Demoversionen und Tests: Wenn Sie ein passendes Tool gefunden haben, fordern Sie Demoversionen oder kostenlose Testphasen an, um die Tools in der Praxis zu erleben und deren Eignung für Ihre spezifischen Bedürfnisse zu prüfen.
  • Feedback einholen: Binden Sie relevante Stakeholder, wie HR-Teams und Führungskräfte, in den Entscheidungsprozess ein, um deren Anforderungen und Bedenken zu berücksichtigen.

 

4. Integration und Anpassung

  • Integration in bestehende Systeme: Stellen Sie sicher, dass das neue Tool nahtlos in Ihre bestehenden ATS- und CRM-Systeme integriert werden kann.
  • Anpassungen vornehmen: Passen Sie das Tool an die spezifischen Anforderungen Ihres Unternehmens an, um sicherzustellen, dass es optimal genutzt werden kann.
  • Schulungen für Mitarbeitende: Planen Sie ggf. Schulungen oder Workshops für das Recruiting-Team, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden mit dem neuen Tool vertraut sind und es korrekt anwenden können.

 

5. Monitoring und Optimierung

  • Kontinuierliches Monitoring: Überwachen Sie die Nutzung des Tools und sammeln Sie Daten zu den definierten Erfolgskriterien.
  • Feedback und Optimierung: Führen Sie regelmässige Feedback-Runden mit Ihrem-Team durch, um Schwächen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren und optimieren Sie darauf aufbauend die Prozesse sowie den Einsatz des Tools.

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